Wenn sich das Klavier mit der Klarinette vereint

Es war wieder einmal ein Konzertabend erster Güte: Charl du Plessis aus Südafrika und Matthew Hunt aus England, das Klavier und die Klarinette, die sich musikalisch zu Höchstleistungen anspornten.

Charl du Plessis ist ja in Ernen ein alter Habitué. Seit Jahren setzt er sich mit ausgesprochenem Engagement ans Klavier und zieht alle Register, die ihm zur Verfügung stehen. Er ist bekannt für seine Crossover-Darbietungen, beginnt ganz gewöhnlich mit Bach oder Scarlatti, um dann seine flinken Finger über die Tasten sausen zu lassen, Akkorde kraftvoll intoniert, allein, oder immer wieder mit seinen feinfühligen zwei Mannen, Werner Spies, der agil seinem dünnen Kontrabass («Stick Bass», praktisch zum Reisen) voll im Griff hat, der andere, Peter Auret, der sattelfest am Schlagzeug sitzt und die feinsten Töne aus seiner Batterie holt, immer richtig in der Tonfarbe, immer adäquat zum musikalischen Bild, das der Pianist vorgibt.

Es ist eine Ohr- und Augenweide, dem Trio zuzuschauen. Und wenn dann noch die international gefeierte Walliser Sopranistin Rachel Harnisch ihre warmen Töne über mehrere Oktaven in das hohe Kirchengewölbe entlässt, mit dem Pianisten und seinen Begleitern schäkert, dann weiss man: wir kommen gerade in den Genuss einer unglaublichen Verwöhnkur, – dieses Jahr mit einem Wermutstropfen, denn der Auftritt von Rachel soll offiziell der letzte gewesen sein. Vor zwei Jahren hat sie sich entschieden, ihre Karriere zu beenden. 

Und jetzt das: Charl du Plessis und Matthew Hunt. Es brodelte förmlich in der vollbesetzten Kirche, denn die beiden verströmten so viel Energie, Spielfreude und Witz, dass es uns nicht leicht fiel, still auf den Kirchenbänken zu verharren. Das Ereignis begann mit Bachs «Erbarme dich» aus der Matthäuspassion. Natürlich war nicht zu erwarten, dass sich du Plessis an die aus Bachs Feder stammenden Noten hält. Aber seine «jazzige» Hand liess doch immer wieder für kurze Zeit auf das Original hinweisen. Und ganz in seinem Element war er bei Morgan Lewis’ (1906–1968) «How High The Moon». Da bewegte sich sein rechtes Bein unermüdlich im Rhythmus der Musik, das gab ihm Schwung bis zum letzten Ton. Ein Leckerbissen.

Dann kam – unter frenetischem Applaus – der international renommierte Klarinettist Matthew Hunt die Chortreppe hinunter. Die beiden setzten zu Charl du Plessis’ eigener Komposition «Bossa à Beaulieu» an – und da wurde uns allen bewusst, was es heisst, wenn zwei begnadete Musiker sich gekonnte auf die Äste hinauswagen, mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit, als wäre da nichts Spezielles dabei. Und dann das neckische Spiel, sich musikalisch auszutricksen, wurde bei George Gershwin (1898–1937) auf die Spitze getrieben. Wie sie sich gegenseitig neckisch anschauten, nach dem Motto «Du musst nicht meinen… – ich kann es besser als du» und dann am Ende sich so freuten, weil sie ja wussten, dass sie beide diese Spielerei beherrschen. Und dazwischen immer wieder diese geistreichen und witzigen Ansagen von Charl du Plessis zwischen den Stücken, die immer für einen Lacher sorgen.

Und so zog sich der Abend hin – bis zum Ende, bis zu Oscar Petersons (1925–2007) «You Look Good To Me» – da meinte Charl, diese Aussage hätte Matthew ihm gegenüber gemacht (er schaut ja auch gut aus), dann lagen sich die beiden in den Armen, Charl auf den Zehenspitzen, um etwa auf gleicher Höhe zu sein wie der stattliche Matthew, glücklich über das Vollbrachte, unendlich langanhaltender Applaus. Wir wussten nicht, wie wir es ihnen verdanken sollen. Es war ein aussergewöhnliches Erlebnis, ein unvergessliches Geschenk.

Für mich war dieser Abend in all den Jahren, in denen ich die Konzerte im Musikdorf besuche, ein besonderer Höhepunkt. Vielleicht findet diese Vorführung gerade in den Annalen des Festivals ihren Platz.  

Madeleine Hirsiger, Ernen, 7. August 2025

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