«Das Wichtigste ist das Publikum»

Klavier
6.–12. Juli 2024
Feuriger Tanz über 88 Tasten

Schon als kleiner Bub liebte er Musik. Insbesondere Volksmusik und Gesang. Als Vierjähriger begann Giorgi Gigashvili (geb. 2000) Klavier zu spielen. Seine Mutter, eine Pianistin, riet ihm dazu, weil er ein gutes Musikgehör habe. Klavierspielen sei ihm leichtgefallen. «Ich lernte schnell.» Aber das Üben, gesteht er, sei oft eine Qual gewesen. «Vor allem deswegen, weil ich neben dem Klavier noch so viele andere Interessen hatte!», sagt Gigashvili.

Bald war sein Klavierspiel so gut, dass ihn seine Lehrerin bei einem Klavierwettbewerb in Tiflis anmeldete. Giorgi kam, spielte und gewann. Vorher habe er nie an eine professionelle Karriere als Pianist gedacht. Er wollte singen. Nein, nicht klassische Lieder oder Oper. Giorgi Gigashvili brannte für georgische Volkslieder und Popsongs, für die er die Arrangements gleich selber schrieb. «Georgische Lieder sind in meiner DNA», sagt er. Das habe ihm geholfen, an einem Wettbewerb wie «The Voice Kids of Georgia» teilzunehmen – wo er prompt im Finale landete.

Das Singen helfe ihm beim Klavierspielen, ist er überzeugt. «Beim Singen lernt man die Präsenz vor Publikum. Und wer singen kann, weiss wie man richtig atmet und phrasiert.» Es sei seine Leidenschaft, sich für diese Art von Musik einzusetzen. «Ich fühle dabei etwas, was ich nicht fühlen kann, wenn ich klassische Musik spiele.» Dass er gewohnt ist, als Popmusiker vor einem «wilden Haufen» aufzutreten, gebe ihm Sicherheit für seine Auftritte vor einem klassischen Publikum oder einer Jury. Er stelle sich jeweils vor, alle im Publikum seien seine Fans. «Das nimmt mir meine Nervosität.»

Inspiriert von Argerich
Am Klavier hatte Gigashvili ein grosses Vorbild: Martha Argerich. Sie sei für ihn stets ein grosser Motivator gewesen. Nachdem er sie Prokofjews 3. Klavierkonzert spielen gehört hatte, begann er, die Noten auswendig zu lernen. 2019 am Internationalen Klavierwettbewerb der Stadt Vigo erlebte er dann das Unglaubliche: Sein Idol war die Vorsitzende der Jury, und diese sprach ihm den 1. Preis zu. Von da an konnte ihn nichts mehr bremsen.

Gigashvili gewann beim renommierten Concours Géza Anda in Zürich den Hortense Anda-Bührle Förderpreis für einen der jüngsten Teilnehmer. 2021 räumte er mit seinem phänomenalen Spiel beim Kissinger «Klavier-Olymp» den 1. Preis und den Publikumspreis ab und im letzten Jahr wurde er beim Arthur-Rubinstein-Klavierwettbewerb in Tel Aviv gleich mit fünf von sechs Publikumspreisen ausgezeichnet. Der Kontakt zum Publikum, sagt der Pianist, sei für ihn das Wichtigste. Deshalb würden ihm Publikumspreise viel bedeuten.

Zwei Herzen in der Brust
Beim Debüt im Musikdorf möchte Giorgi Gigashvili einen Querschnitt durch sein vielfältiges pianistisches Repertoire geben. «Das Festival in Ernen hat eine einzigartige Aura. Ich freue mich, dort aufzutreten und wünschte mir, ich hätte nach meinem Konzert die Zeit, weitere Konzerte zu besuchen.» Trotz der Erfolge ist der 23-Jährige bescheiden geblieben. Für einen jungen Musiker sei es eine grosse Hilfe zu spüren, dass er Menschen und Institutionen um sich habe, die an ihn glaubten und ihn unterstützten, sagt er. Seit 2021 setzt er seine Studien bei Nelson Goerner in Genf fort.

Und was ist aus seiner Leidenschaft für Popmusik geworden? Die brenne natürlich weiter, sagt er und lacht verschmitzt. Er habe mit seinen Freundinnen Nini und Nikala eine elektronische und experimentelle Band gegründet, mit der er regelmässig in Georgien auftrete. Ihr Name ist «Tsduneba», was so viel wie «Versuchung» bedeutet.

Ausserdem in der Klavierwoche:
Andrei Gologan kehrt nach seinem erfolgreichen Debüt in Ernen zurück mit Beethovens «Sturm-Sonate», Musik von Alexander Skrjabin, Franz Liszt und von Christian Mason, dem Composer in Residence 2023/24. Die deutsche Pianistin und Gewinnerin des Bach-Wettbewerbs Leipzig, Schaghajegh Nosrati, wird bei ihrem dritten Auftritt in Ernen nicht nur Musik aus Leipzig (Bach und Mendelssohn) mitbringen, sondern erneut auch ein atemberaubend anspruchsvolles Werk des französischen Klaviervirtuosen Charles Valentin Alkan (1813–1888). Alkans monumentale «Grande sonate: Les quatre âges» vertont vier verschiedene Lebensalter eines Menschen mit vier immer langsamer werdenden Sätzen.

Zum Abschluss spannt der Géza-Anda-Preisträger Sergey Tanin einen Bogen von den klassischen Sonaten des Spaniers Antonio Soler zum wilden Tanz der Erde («The Earth: Her Dance») von Christian Mason. Dazu interpretiert er «Feuriges» von Robert Schumann sowie eine hoch-energetische Rarität aus der Feder des amerikanischen Komponisten Samuel Barber (1910–1981).

Klavier | 6.–12. Juli 2024 | Feuriger Tanz über 88 Tasten
4 Klavierrezitals und ein Jazzkonzert

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Geschrieben im Dezember 2023, von Marianne Mühlemann

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