Ein Brückenbauer und seine «Sterne»
Klavier
12.–18. Juli 2025
Persönlichkeit an den Tasten
Der Musikhimmel ist voller Stars. Überall ist von Starsängerinnen und Violinstars, Star-Pianisten und Stars der Zukunft die Rede. Doch warum eigentlich? Genügt es nicht, ein guter Musiker, eine herausragende Musikerin zu sein? Was ist es denn, was Klassik-Stars von guten Musiker*innen unterscheidet? Das virtuose Spiel, die unvergleichliche Fingerfertigkeit, die perfekte Technik? Leidenschaft, Persönlichkeit oder der beseelte Klang, der Menschen rund um den Globus in den Bann zieht? Oder braucht es vielleicht all dies zusammen, um erfolgreich oder gar ein «Star» zu sein?
Es braucht sogar mehr. Das Stichwort heisst: Netzwerke. Durch einschlägige Kontakte erhalten Musiker*innen überhaupt erst die Chance, auftreten zu können. Was bringt es, ein Musikstudium mit Bravour abzuschliessen, wenn die Auftrittsmöglichkeiten fehlen? Wer auf den Konzertbühnen der Welt leuchten möchte, braucht Mentor*innen. Weise, ehrliche und erfahrene Menschen, die die künstlerische Entwicklung der jungen Talente im Blick haben.
Wettbewerbe? Die Hölle!
Sir András Schiffs Mentoring-Programm «Building Bridges» ist in dieser Hinsicht ein einzigartiges und vorbildliches Modell. Schiff hat es 2014 ins Leben gerufen mit dem Ziel, jungen Pianist*innen zu helfen, Brücken in die professionelle Musikwelt zu schlagen und sie vom Zwang zu befreien, an Wettbewerben teilzunehmen. Die inflationäre Zahl an Klavierwettbewerben sei für ihn «wie eine Hölle», so Schiff. Musik sei kein Sport. Es gebe gewisse objektive Kriterien, zum Beispiel, wer spielt schneller, lauter oder wer macht weniger oder keine Fehler. Aber das habe nichts mit Kunst zu tun. In der Kunst seien die nicht messbaren Elemente wichtiger: Persönlichkeit, künstlerische Leidenschaft und Neugier. Diese kämen aber in den Wettbewerben zu kurz.
Programm als Visitenkarte
Doch wie funktioniert dieses «Brücken bauen»? Pro Saison wählt Schiff drei begabte Pianist*innen aus und arbeitet mit ihnen in seiner Berliner Klasse. Zudem vermittelt er ihnen Rezitals bei Konzertveranstaltern und Festivals in ganz Europa. Um pro Jahr drei Persönlichkeiten zu finden, die aus seiner Sicht interessant sind und künstlerisch etwas zu sagen haben, höre er sich dutzende, ja hunderte Pianist*innen an, sagt Schiff. Ein Schwerpunkt ist zudem die Entwicklung der Konzertprogramme. Ein Rezital-Programm sei wie eine Visitenkarte, es müsse nicht nur das pianistische Können, sondern auch die Persönlichkeit und künstlerische Neugier widerspiegeln.
Tanzender Tastenkünstler
In diesem Jahr ist der Franzose Jérémy Moreau «Building Bridges»-Pianist. Er wurde 1999 geboren und hat mehrere Geschwister, die ebenfalls Berufsmusiker sind und mit denen er oft auftritt. Mit sieben Jahren begann Moreau Klavier zu spielen und absolvierte parallel dazu eine Ausbildung in klassischem Tanz. Doch irgendwann musste sich der Doppelbegabte entscheiden. Er hörte mit dem Tanzen auf und begann in Paris ein Klavierstudium.
Neben Moreau und der Südkoreanerin Chloe Jiyeong Mun (geb. 1995) – beide aus dem «Building Bridges»-Programm – gibt es in der Klavierwoche auch den Schweizer Simon Bürki (geb. 2000) zu entdecken. Vielen Klavierfans dürfte sein Name noch unbekannt sein. Der gebürtige St. Galler hat für seine pianistische Ausbildung die Heimat hinter sich gelassen. Mit fünf Jahren begann er mit dem Klavierunterricht in Kiew. Als 12-Jähriger spielte er ein Mozart-Klavierkonzert in der Tonhalle Zürich mit dem Zürcher Kammerorchester, später studierte er in Moskau und heute an der Juilliard School in New York. Wie er den Kavaliersstart von 0 auf 100 in seiner Karriere verkraftet hat? Fragen Sie ihn in Ernen doch persönlich.
Öffentlicher Meisterkurs und Konzert
In Ernen wird Sir András Schiff offenbaren, was sonst hinter verschlossener Tür stattfindet. Seien Sie bei Schiffs erstem Erner Meisterkurs hautnah dabei, wenn er die angehenden Sterne am Musikhimmel in pianistischen Feinheiten schult. Lauschen Sie seinen Bemerkungen und Analysen und spitzen Sie die Ohren, um zu hören, wie die Pianist*innen seine Anregungen an den Tasten umsetzen. Der Meisterkurs ist öffentlich. Und zur Krönung der Klavierwoche werden nicht nur die «Meisterkürsler» einen Konzertabend gestalten, sondern auch der Meister höchstpersönlich.
Klavier | 12.–18. Juli 2025 | Persönlichkeit an den Tasten
5 Klavierrezitals und ein Jazzkonzert
13.–17. Juli 2025 | Öffentlicher Meisterkurs mit Sir András Schiff
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In die Musik reinhören: Playlist ‘Klavierwoche 2025’ auf Spotify
Geschrieben im Dezember 2024, von Marianne Mühlemann