Fingerbreaker aus St. Louis

Jazz
6., 20., 21. und 29. Juli 2024
Stephanie Trick, Charl du Plessis und Rachel Harnisch

Eine Ferienreise hat ihr Leben verändert: Im Hotel, wo Stephanie Trick und ihre Familie untergebracht waren, da spielte in der Lobby eine Pianistin Hintergrund-Musik. Das klang so anders als das, was sie bis dahin kennengelernt hatte. Stephanie Trick, geboren 1987 in St. Louis, Missouri, hatte als Fünfjährige mit dem Klavierspielen begonnen. «Ich war so fasziniert vom Spiel dieser Musikerin, dass ich sie fragte, ob sie auch unterrichte.» Und siehe da, der Herzenswunsch erfüllte sich. Die Pianistin aus der Hotellobby wurde ihre Klavierlehrerin für die kommenden 13 Jahre.

Dank ihres musikalischen Talents, ihrer Zielstrebigkeit und ihrem Fleiss kam die junge Pianistin auf ihrem Weg schnell voran. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Als 19-Jährige wurde Stephanie Trick ans Westcoast-Rag-Festival in Sacramento (CA) eingeladen. Sie trägt ein paar Stücke vor, an denen sie gerade arbeitet und nutzt die Gelegenheit, Auftritte von anderen Musikerinnen und Musikern zu besuchen. Da hört sie zum ersten Mal «Stride-Piano». «Stride-Piano?» Sie weiss nicht, was das ist. Noch nicht. «Es traf mich wie ein Blitz.»

Präzision und Leichtigkeit
«Stride-Piano» ist ein Solo-Klavierstil aus der Frühzeit des Jazz, der auf den Ragtime zurückgeht. Im Gegensatz zu diesem ist er aber nicht komponiert, sondern lebt von der Improvisationskunst. Pioniere des «Stride-Piano» wie James P. Johnson und Willie ‘The Lion’ Smith haben den virtuosen Stil in Harlem (New York) kreiert, Fats Waller hat ihn weiterentwickelt. Was den Stil auszeichnet, kann man übrigens nicht nur hören, sondern auch sehen: Im Wechsel zwischen Bassnoten und Akkorden hüpft die linke Hand über die halbe Klaviatur, derweil die rechte Hand über die wilden Sprünge die Melodie spielt, sie mit fantasievollen Girlanden ausschmückt und sich durch die weissen und schwarzen Tasten windet.

Die Geschwindigkeit verlangt Präzision und Leichtigkeit. Stephanie Trick beherrscht die Kunst. Wo sie aufspielt, verpasst sie dem Publikum einen Frische-Kick. Sie wolle das Publikum glücklich machen, sagt die Pianistin. Ihre Ausbildung habe ihr geholfen das zu werden, was sie heute ist: Ohne das klassische Training hätte sie nie die Technik erlangt, um den herausfordernden Musikstil des «Stride-Pianos» bewältigen zu können, sagt sie.

Keine Unfallgefahr
Oft tritt die Amerikanerin mit ihrem Ehemann auf, dem italienischen Pianisten Paolo Alderighi. Nicht so in Ernen: Da wird der pianistische Wirbelwind aus St. Louis solistisch zu hören sein. Tricks Programm umfasst alles, was das Herz begehrt: Von Thomas ‘Fats’ Wallers «Bach Up To Me», Scott Joplins «Maple Leaf Rag» bis zum berühmten «The Entertainer» oder Duke Ellingtons «Black Beauty».

Dazwischen sorgt sie für Überraschungen. Wie klingt wohl die jazzige Bearbeitung von Edward Griegs «Tanz der Anitra» oder Jelly Roll Mortons «Fingerbreaker» von 1938? Dass Trick dieses Stück am Schluss programmiert hat, ist übrigens kein Grund zur Besorgnis. Die Pianistin hat den «Fingerbreaker» bis heute immer unfallfrei überstanden – und danach erst noch Zugaben gespielt.

Rachel Harnisch kehrt zurück
Neben Stephanie Trick werden auch die Publikumslieblinge der letzten Jahre, der südafrikanische Pianist Charl du Plessis und sein Trio, sowie die gefeierte Sopranistin Rachel Harnisch, einige Jazzabende gestalten. Harnisch begibt sich dabei ins spanische, französische und italienische Sprachgebiet. Das Charl du Plessis Trio wird das Erner Publikum begeistern mit einer spektakulären jazzigen Neuinterpretation der «Vier Jahreszeiten» von Antonio Vivaldi – von der klirrenden winterlichen Kälte bis zum kochend heissen Sommer.

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Geschrieben im Dezember 2023, von Marianne Mühlemann

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