Hier lesen Sie «Queer»

Literatur
19. und 20. Juli 2025
Lesungen mit Alain Claude Sulzer, Kristin Höller und Volker Kitz, moderiert von Bettina Böttinger

Unmittelbar nach der Klavierwoche findet im Musikdorf das literarische Wochenende «Queerlesen» statt. International gefeierte Autor*innen lesen aus ihren neusten Büchern und geben Einblick in ihr Leben und Schreiben. Neben dem deutschen Bestsellerautor Volker Kitz (geb. 1975), dem Schweizer Schriftsteller und Übersetzer Alain Claude Sulzer (geb. 1953) und der deutschen Autorin Kristin Höller (geb. 1996) wird auch Bettina Böttinger wieder mit von der Partie sein, eine der bekanntesten und profiliertesten Talkshow-Moderatorinnen des deutschen Fernsehens.

Volker Kitz: «Alte Eltern»
Was Volker Kitz in seinem Buch beschreibt, beruht auf persönlichen Erfahrungen. Was sie so brisant macht, ist, dass sie früher oder später viele von uns betreffen. Kitz stellte fest, dass irgendetwas mit seinem Vater nicht stimmt. Jedes Mal, wenn er mit seinem Vater telefonierte, sagte dieser, es sei dies oder jenes kaputt gegangen. Kitz, der in Berlin lebte, sieben Autostunden von seinem Elternhaus weg, nahm es zur Kenntnis, ohne sich viel dabei zu denken. Zuerst jedenfalls. Als er seinen Vater dann aber besuchte, stellte er fest, dass weder die Kaffeemaschine noch der Geschirrspüler kaputt waren. Vielmehr wusste der Vater nicht mehr, wie er sie bedienen sollte.

Irgendwann konnte der Vater, der seit dem Tod seiner Frau alleine lebte, den Haushalt nicht mehr machen. Nicht nur das dreckige Geschirr begann sich zu stapeln, sondern auch die Post, das Altpapier, die Rechnungen. Und eines Tages hatte er vergessen, wie der Schlüssel zur Haustür funktioniert. «Die Demenz kam schleichend», sagt Volker Kitz. Anfangs sei es ihm schwer gefallen, die Zeichen richtig zu deuten. Konnte der Vater etwas nicht mehr, oder hatte er vielleicht gerade keine Lust, es zu tun? Der Autor begann aufzuschreiben, was ihn innerlich bewegte. Entstanden ist ein aufwühlender literarischer Essay, der die Ängste und Fragen einer ganzen Generation berührt, die erlebt, dass ihre Eltern alt werden.

Kristin Höller: «Leute von früher»
An aktuellen Themen reibt sich auch der schauerlich-schöne Roman von Kristin Höller. Die Autorin verwebt darin die Liebesgeschichte zweier Frauen auf einer nordfriesischen Insel mit der drohenden Klimakatastrophe. Dabei geht es ebenso um echte Gefühle wie um falsche Sicherheiten. Die Protagonistin Marlene, die gerade ihr Studium abgeschlossen hat, beginnt im Erlebnisdorf «Strand» zu arbeiten, in dem zur Unterhaltung der Touristen das Inselleben um 1900 nachgestellt wird.

Hier lernt sie Janne kennen, eine Einheimische. Nicht nur die Gefühle für Janne, auch die Insel selbst scheint Marlenes Wahrnehmung zusehends zu verändern. Im Watt erinnern die Überreste einer versunkenen Stadt daran, welches Unheil durch den steigenden Meeresspiegel droht. Je näher sich die beiden Frauen kommen, desto deutlicher spürt Marlene, dass Janne ein Geheimnis in sich trägt, das weit zurück in die Vergangenheit der Insel reicht.

Alain Claude Sulzer: «Fast wie ein Bruder»
Der Roman blendet zurück in die 1970er-Jahre. Im Mittelpunkt steht die Freundschaft zwischen zwei ungleichen Männern, dem Ich-Erzähler und seinem Nachbar Frank. Sie wachsen in einem Mietshaus im Ruhrgebiet auf – fast wie Zwillingsbrüder. Es ist eine Zeit geistiger Enge und Spiessigkeit. Der homosexuelle Frank bekommt das schmerzhaft zu spüren. Eines Abends kommt es im Treppenhaus zum Chaos. Frank und sein Liebhaber, der Roma Matteo, werden «bei etwas ertappt, was verboten war». Vor versammelter Nachbarschaft werden die beiden Männer blossgestellt.

Der Ich-Erzähler steht nicht zu seinem Freund. Wenig später trennen sich ihre Wege. Frank wandert nach New York aus. Hier tobt er sich in der Schwulenszene aus und beginnt wie ein Besessener zu malen – allerdings ohne den erhofften Erfolg als Künstler. Als er an Aids erkrankt, kehrt er zurück nach Deutschland. Im Spital sehen sich die beiden «Fast-Zwillingsbrüder» erstmals wieder. Der vielschichtige, subtil konstruierte Roman entwickelt beim Lesen einen Sog, der bis zum Schluss anhält.

Literatur | 19. und 20. Juli 2025 | Lesungen mit Alain Claude Sulzer, Kristin Höller und Volker Kitz, moderiert von Bettina Böttinger, moderiert von Bettina Böttinger

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Geschrieben im Dezember 2024, von Marianne Mühlemann

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