Kammermusikalische Perlen

Kammermusik kompakt
28.–30. Juni 2024
Sieben Konzerte in drei Tagen

Wenn der Geiger Jonian Ilias Kadesha mit der Cellistin Vashti Hunter – seiner Ehefrau – und dem britischen Pianisten Nicholas Rimmer als Trio Gaspard auftritt, dann zieht er das Publikum in den Bann, noch bevor er den ersten Ton gespielt hat. Mit seiner wilden Lockenmähne hat Kadesha etwas von einem Schamanen. Man würde ihm sofort glauben, dass er mit seiner Geige imstande ist, die vier Elemente zu bändigen. Atemberaubend, wie er Klänge als Wasserflüsse strömen lässt, die Luft zum Vibrieren bringt oder sie zum Orkan bündelt. Als Master of Ceremony kennt er auch das Geheimnis von musikalischen Transformationen: Im Dialog mit der Cellistin und dem Pianisten bringt Kadesha sinnlich-erdige Melodielinien zum Glühen oder verwandelt sie mit einem Bogenstrich in ein loderndes Feuer. Wer ist der Mann?

Das Kind im Künstler
Ein Kritiker schrieb einmal über ihn, er habe etwas von der Erscheinung eines verrückten Professors und den energischen Spielstil eines Paganinis. Damit bewies der Journalist nicht nur seine tiefe Bewunderung für den Musiker und seine Kunst, sondern auch, wie wenig er tatsächlich über den vielseitigen Ausnahmemusiker weiss. Geboren wurde Jonian Ilias Kadesha 1992 in Athen, seine Eltern stammen aus Albanien. Er fühle sich als Teil beider Kulturen, sagt der Geiger und schwärmt, er habe eine wundervolle Kindheit gehabt. Von seinem Vater erhielt er den ersten Geigenunterricht. Er sei sehr streng gewesen, erinnert er sich. «Und ich sehr fleissig!» Jedenfalls habe er stets genügend Zeit gefunden für Fussball und Basketball oder um mit den Freunden herumzualbern.

Unbändige Neugierde
Neben seinem Musikstudium hat Jonian Ilias Kadesha Philosophie und Rhetorik studiert. Auch Geschichte habe ihn immer interessiert. Und die Schauspielerei. Als Leidenschaft bezeichnet er seine Liebe zur Volksmusik. Es sei sein Hobby geworden, nach Volksmelodien zu suchen und an neuen Stilen herumzutüfteln. Das Einfache, Ursprüngliche bei Schubert, Mozart oder Beethoven finde er auch in der Musik des 20. Jahrhunderts, sagt der Geiger. Er ist der Überzeugung, dass sich das Selbstverständnis von Musikerinnen und Musikern verändern müsse: Kadesha plädiert für einen ganzheitlichen Ansatz: Neben dem Spielen müsse es selbstverständlich werden, dass ein Musiker, eine Musikerin, auch komponiere und improvisiere. Bloss als Interpret Stücke zu reproduzieren, ist ihm zu wenig.

Kreative Programme
Er ist ein Intellektueller mit kreativem Potenzial. Das zeigt sich in den Programmen, die er für Ernen zusammengestellt hat. Das vielfach preisgekrönte Trio Gaspard wird da zum Festivalauftakt in drei Tagen sieben Kurzkonzerte spielen. Genug Zeit also, den Musiker näher kennenzulernen und ihm Fragen zu stellen. Zum Beispiel, weshalb das Trio den Namen ‘Gaspard’ trägt. Oder wie es sich anfühlt, sämtliche 46 Klaviertrios von Haydn einzuspielen. Haydn ist ein fester Wert im Repertoire des Trios und wird in Ernen nicht fehlen. Doch die ausgewählten Stücke dürften in einem neuen Licht erstrahlen.

Kadesha hatte die Idee, Haydns Trios mit Werken aus dem 20. und 21. Jahrhundert zu kombinieren. Dazu hat er diverse prominente Komponistinnen und Komponisten gebeten, ein kurzes Werk zu schreiben, das von einem der Haydn-Trios inspiriert ist. Das Echo auf seine Idee war überwältigend. Neben Leonid Gorokhov, Kit Armstrong, Sally Beamish, Helena Winkelman und Olli Mustonen hat auch die famose Berner Geigerin Patricia Kopatchinskaja zugesagt. Die Schweizer Erstaufführung ihres brandneuen Werks wird im 5. Kammerkonzert «Capriccio all’Ongarese» (30. Juni, 11 Uhr) in Ernen auf zwei Haydn-Trios und Werke von Sally Beamish sowie Nikos Skalkottas treffen. Ein Ereignis im Rahmen von Kammermusik kompakt, dass man nicht verpassen sollte.

Kammermusik kompakt | 28.–30. Juni 2024 | Sieben Konzerte in drei Tagen

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Geschrieben im Dezember 2023, von Marianne Mühlemann

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