«Musik war immer Teil meines Lebens»
Klavier
11.–17. Juli 2026
Persönlichkeit an den Tasten
In der Klavierwoche 2026 zeigen sich viele neue Gesichter. Nur Maki Namekawa (Jazzkonzert) und Schaghajegh Nosrati haben bereits mehrmals im Musikdorf gespielt. Daneben präsentiert der neue Intendant Jonathan Inniger vier höchst interessante junge Debütant*innen: Der in Berlin lebende Ungare Mihály Berecz, die in Genf lebende Japanerin Shio Okui, die Niederländerin Gile Bae, sowie Sir András Schiffs Meisterschülerin Tähe-Lee Liiv. Letztere haben wir zum Interview getroffen.
Tähe-Lee, erinnern Sie sich an Ihre erste musikalische Erfahrung?
Ich bin in Estland, auf einer kleinen Halbinsel namens Viimsi aufgewachsen, die mit Tallinn verbunden ist. Mein Zuhause liegt nur fünf Minuten vom Meer und dem Wald entfernt, sodass die Natur schon immer eine ruhige Konstante in meinem Leben war. Aber aufgrund meines Musikstudiums bin ich oft umgezogen. Reisen und Veränderungen sind mir von klein auf vertraut. Meine Mutter und meine Grossmutter sind beide Pianistinnen. Ich erinnere mich, dass ich morgens aufwachte und meine Mutter Strawinsky oder Arvo Pärt übte. Musik war immer Teil meines Lebens.
Wann wussten Sie, dass Sie Pianistin werden möchten?
Als ich etwa zwölf Jahre alt war und begann, zu Meisterkursen ins Ausland zu reisen, da wurde mir klar, dass ich mich ganz dem Klavier widmen wollte. Ich sah andere in meinem Alter, die unglaublich komplexe Werke spielten. Das motivierte mich. Als ich nach Estland zurückkehrte, sagte ich meiner Lehrerin, dass ich Chopins dritte Ballade spielen wolle. Sie hielt mich dazu für noch nicht bereit. Aber ich bewies ihr das Gegenteil. Ein paar Jahre später spielte ich Tschaikowskys Klavierkonzert, und von da an begann sich alles zu entwickeln.
Sie gelten als Pärt-Spezialistin, seit Sie mit 19 eine CD mit seinen Werken aufgenommen haben. Arvo Pärts Musik steht für Einfachheit, Spiritualität und innere Ruhe. Sind das typisch estnische Charaktereigenschaften?
Das beschreibt die Esten recht gut. Der innere Frieden, der Pärt durch seine Musik schafft, ist etwas, wonach wir uns alle sehnen. Meine Grossmutter studierte etwa zur gleichen Zeit wie Arvo Pärt und dessen Frau Nora am Konservatorium in Tallinn, und meine Mutter unterrichtete seine Enkel zehn Jahre lang. Ich hatte die Gelegenheit, für ihn zu spielen und seine Kommentare zu hören. Die Sorgfalt, die er jeder einzelnen Note in seinen späteren Kompositionen widmet, und die klare, fast mathematische Präzision seiner früheren Werke haben mich stark beeinflusst.
In Ernen werden Sie auch Etüden von Einojuhani Rautavaara sowie Werke von Mel Bonis, Mozart, Debussy und Grieg spielen.
Ich liebe es, weniger bekanntes Repertoire zu erkunden. So wie Rautavaaras Etüden oder Griegs Ballade. Die nordische Klangwelt mit ihrer nachdenklichen Distanziertheit und stillen Kraft liegt mir sehr nahe. Für mein Konzert in Ernen habe ich Debussy mit Mel Bonis kombiniert, eine für mich wunderbare Entdeckung! Da ich wusste, dass sie Debussys Klassenkameradin war, erschien mir diese Kombination sehr natürlich. Und Mozart zu spielen ist für mich immer eine Freude.
Was gibt Ihnen die Meisterklasse bei Sir András Schiff?
Der Unterricht bei ihm ist ein Privileg. Sein Klang, sein Anschlag, seine Einsichten sind aussergewöhnlich. Er spricht mit grosser Weisheit und Fantasie über Musik, oft anhand von Analogien, die das Verständnis einer Phrase völlig verändern. Er erwartet stets, dass wir gut vorbereitet sind, damit wir uns ganz auf die Interpretation und das musikalische Denken konzentrieren können. Seine Anleitung ist anspruchsvoll und zutiefst inspirierend. Die Gruppenarbeit in den Meisterkursen – vier Stunden am Tag, in denen wir einander zuhören und voneinander lernen – ist eine besondere Erfahrung. Pianisten arbeiten normalerweise alleine, daher ist es unglaublich bereichernd, den Prozess und die Fortschritte der anderen mitzuerleben.
Kennen Sie die Schweiz und das Musikdorf Ernen?
Ich war noch nie in Ernen, durfte aber mehrere Sommer in Gstaad verbringen, wo ich an Sir Schiffs Meisterkursen teilgenommen habe. Er spricht mit solcher Zuneigung von Ernen! Es muss ein ganz besonderer Ort sein.
Öffentlicher Meisterkurs Sir András Schiff
Nach dem idealen Kursverlauf im letzten Jahr schlug Sir András Schiff vor, auch 2026 wieder einen Meisterkurs in Ernen zu veranstalten. Seien Sie hautnah dabei, wenn er seine Studierenden in musikalischen Feinheiten schult. Lauschen Sie seinen Bemerkungen und Analysen und spitzen Sie die Ohren, um zu hören, wie die Pianist*innen seine Anregungen an den Tasten umsetzen. Der Meisterkurs ist öffentlich (voraussichtliche Kurszeiten 11–13 Uhr / 14.30–17.30 Uhr, Eintritt frei, das Rein- und Rausgehen ist nur in den Pausen möglich). Für Konzerte kehrt Sir András Schiff dann Ende August ins Musikdorf zurück.
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12.–17. Juli 2026 | Öffentlicher Meisterkurs
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In die Musik reinhören: Playlist ‘Klavierwoche 2026’ auf Spotify
Geschrieben im Dezember 2025, von Marianne Mühlemann







