Viel Wehmut, viel Euphorie
Jazz
12., 26. und 27. Juli, 6. August 2025
Rachel Harnisch, Charl du Plessis und sein Trio
«Dass ich beim allerletzten Auftritt von Rachel Harnisch an ihrer Seite stehen darf, ist für mich eine grosse Ehre», sagt der südafrikanische Pianist Charl du Plessis. Er werde dafür sorgen, dass die Sentimentalität des Augenblicks nicht überhand nehme. «Das Erner Publikum soll den historischen Moment noch jahrelang in Erinnerung behalten.» Was er mit dem «historischen Moment» meint: Die Sopranistin Rachel Harnisch, eine der spannendsten Opernsängerinnen der Schweiz, hat 2023 kundgetan, dass sie ihre Bühnenkarriere beende und ihr Leben neu ausrichten werde.
«Es ist ein immenser Verlust für die gesamte Musikwelt», sagt du Plessis. «Die Zusammenarbeit mit Rachel war ein grosses Geschenk, für das ich ewig dankbar bin.» In Ernen, wo Rachel Harnisch zusammen mit Charl du Plessis und seinem Trio schon mehrfach für Standing Ovations gesorgt hat, wird die gebürtige Walliser Sopranistin also noch einmal singen. Diesmal ist es endgültig: Es ist ihr Abschiedskonzert.
Schwerpunkt Schubert
«Das Programm, das wir gemeinsam zusammengestellt haben, wird völlig anders sein als alles, was wir bisher hier präsentiert haben», sagt Charl du Plessis. Ein Blick ins Programm zeigt eine Reihe von Perlen der deutschen Liedkunst, darunter «Mondnacht» und «Frühlingsnacht» von Robert Schumann. Oder «An Sylvia», «Gretchen am Spinnrade» und die Ode «An die Musik» von Franz Schubert, in der man diese Zeilen findet: Du holde Kunst, in wieviel grauen Stunden / wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt / hast du mein Herz zu warmer Lieb' entzunden / hast mich in eine bessre Welt entrückt!
Aus dem Mund der Sängerin Rachel Harnisch bekommen die Worte eine sehr persönliche Bedeutung. Die Welt des deutschen Liedes zu erforschen, sei eine wunderbare Gelegenheit, Rachel Harnischs aussergewöhnliche stimmliche Vielseitigkeit zu zeigen, sagt Charl du Plessis. Neben dem Schwerpunkt Schubert erklingen Hits und Songs von Leonard Bernstein («Somewhere»), George Gershwin («Summertime») oder die mitreissende «Seguidilla» aus George Bizets Oper «Carmen». Kurz: Der Abend verspricht ein Wunschkonzert erster Güte.
Sehnsucht nach mehr
Du Plessis hat vor den zu erwartenden Emotionen keine Angst. Wenn ein Publikum so begeistert sei, dass es den Konzertraum gar nicht mehr verlassen wolle, sagt er, dann setze er auf einen altbewährten Kniff. «Es ist günstig, einen Kontrast zu setzen, zum Beispiel durch eine langsame, reflektierende Zugabe. So bringt man die Energie des Publikums auf eine ruhigere Ebene.» Vom gängigen Ritual, das Publikum mit Zugaben zu überschütten, hält er nichts. «Ein guter Konzertabend sollte immer ein wenig Sehnsucht nach mehr hinterlassen. So bleibt die Vorfreude auf ein Wiedersehen erhalten.» Schliesslich werden Charl und seine zwei Triokollegen ganz sicher wieder in Ernen auftreten, auch wenn dies das letzte Konzert mit Rachel Harnisch ist.
Stilgrenzen erweitern
Charl du Plessis, der nicht nur als Pianist und Arrangeur unterwegs ist, sondern auch als Komponist, reist seit mehr als zwei Jahrzehnten nach Ernen. Zusammen mit Werner Spies (Kontrabass) und Peter Auret (Schlagzeug) ist es ihm gelungen, das Klassikfestival mit überraschenden Crossover-Programmen zu bereichern. Im zweiten Jazzkonzert wird das Trio den musikalischen Bogen von Bach über Dave Brubeck bis zu den Beatles spannen. Die Klavierwoche eröffnet er mit einem Solo-Programm und bei «Kammermusik plus» wird er zum ersten Mal die Bühne mit dem Klarinettisten Matthew Hunt teilen. Wetten, dass sich nach diesen Konzerten seine Fangemeinde einmal mehr vergrössern wird?
Geschrieben im Dezember 2024, von Marianne Mühlemann