Das Trio Gaspard geht durchs Feuer – auch ohne Schuhe

«Feuer und Flamme» – so das diesjährige Motto der 51. Konzertsaison im Musikdorf Ernen. Bevor das Feuer brennt, braucht es eine Flamme. Und diese Verbindung kann zu einem explosiven Feuerwerk führen.

So geschehen zu Beginn des Musiksommers. Das Trio Gaspard hat eine neue Marke gesetzt, denn was die Musikliebhaber*innen in der Kirche St. Georg geboten bekamen, sprengte den Rahmen gängiger Hörgewohnheiten.

Es war Joseph Haydn (1732–1809), der das Fundament für die Formation «Klaviertrio» gelegt hat – und er war auf diesem Gebiet äusserst produktiv. 46 Kompositionen hat er hinterlassen, die nun alle vom Trio Gaspard eingespielt werden. Diese Trios bildeten den roten Faden durch die 7 Programmteile, wurden aber geschickt ergänzt durch eine Auswahl von romantischen Meisterwerken sowie Stücken aus dem 20. Jahrhundert. Und höchst erfrischend waren die kurzen, zeitgenössischen Kompositionen, die das Trio in Auftrag gegeben hat – immer zu Ehren von Joseph Hayden. Dabei waren unter anderen Werke von Kit Armstrong, Sally Beamish, Patricia Kopatchinskaja, Olli Mustonen oder Helena Winkelman.

Nun gibt es die Reihe «Kammermusik kompakt» schon mehr als 10 Jahre – eine geniale «Erfindung» des Intendanten Francesco Walter. Jedes Jahr war die Begeisterung über die Darbietungen riesig. Sämtliche Teilnehmenden waren grossartig und einnehmend, spielten auf höchstem Niveau. Aber dieses Jahr fühlte es sich so an, als wäre die Spirale noch etwas höhergeschraubt worden.

Man rieb sich die Augen. Was war da gerade los?

Es ist diese Frische, das unbekümmerte, entspannte Auftreten dieses seit 2010 bestehenden und mehrfach ausgezeichneten Trios, dem die Ausgewogenheit zwischen einer Art Wahnsinn und den originären Kompositionen gelingt. Und diese unkonventionelle Annäherung verdanken wir dem Violinisten Jonian Ilias Kadesha aus Griechenland, der nur so von Energie sprüht und auch mal vom Stuhl hochschiesst, wenn er mehr Platz für sein Spiel braucht. Zwischendurch wagt er auch den Versuch, sein wildes Krausehaar zu zähmen oder einen Blick auf sein Hemd zu werfen (ist alles noch in Ordnung?). Und wenn am Samstag, an dem Tag, als stürmisches Unwetter auch das Goms verwüstete, ein heftiges Donnergrollen sich zwischen zwei Sätze drängte, setzte er seine Geige an und nahm kurz mit dem Störefried musikalischen Kontakt auf. Aber Kadesha war ja nicht allein. Die britische Cellistin Vashti Hunter, die dem Instrument warme, oft feurige Töne entlockt, immer alert auf alles, was auf sie zukommt. Beide spielen auf alten italienischen Instrumenten aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Und der deutsche Pianist Nicholas Rimmer, der auf dem Bösendorfer ja fast immer den Ton angibt, spielt virtuos, raffiniert, fokussiert – einmal in der Smokingjacke, einmal mit zurückgekrempelten Hemdsärmeln. Und was die drei auch auszeichnet: man spürt ihre Eigenständigkeit, die aber immer in einem spannungsvollen Zusammenspiel mündet. Und was auch auffällt: wenn der Pianist seinen Fuss nicht gerade auf dem Pedal hat, bewegt er die Beine so wie seine flinken Hände – die Finger rasen wie Spinnenbeine über die Tasten – und auch der Geiger übernimmt oft mit seinen Füssen den Takt, ohne Schuhe notabene, in schwarzen Socken. Schuhe engen nämlich bei solchen Höchstleistungen nur ein.

Es war ein unvergessliches Konzerterlebnis, das unter Mitwirkung von Jonathan Inniger, dem zukünftigen Intendanten, unsere Herzen höher schlagen liess. Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Ausgabe von «Kammermusik kompakt».

Madeleine Hirsiger, Ernen, 2. Juli 2024

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