Ein Piano, viele Gefühle

C’est le piano qui fait la musique! Klavierwoche 2023, 8.–14. Juli

Here you find all concerts of the Piano Week, 8–14 July 2023

Here you find recordings of recent concerts at the Festival Musikdorf Ernen

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Die Klavierwoche ist in Ernen Chefsache. Als künstlerischer Leiter kümmert sich Francesco Walter, der Intendant des Musikdorfs, höchstpersönlich um die Auswahl der Pianistinnen und Pianisten. Obwohl er selber kein Instrument spielt, ist er in der Klavierszene bestens vernetzt und möchte seine Liebe zur Klaviermusik mit dem Publikum teilen. Liest man die Namen der Geladenen im Jubiläumsprogramm, kann man davon ausgehen, dass sich seine Begeisterung für die Tastenkunst durch das Teilen vervielfachen wird.

Entdeckerin Nosrati
Varara (*1983), die Géza-Anda-Preisträgerin 2012, ist in Ernen ein Publikumsliebling. Zehn Jahre nach ihrem Debüt im Musikdorf eröffnet sie die Klavierwoche mit einem Meilenstein der Musikgeschichte, den drei letzten Sonaten (Opp. 109, 110 und 111) von Ludwig van Beethoven.

Als zweite Pianistin wird die Deutsche Schaghajegh Nosrati (*1989), Assistentin von Sir András Schiff an der Berliner Barenboim-Said Akademie, zu hören sein. Ausgewählt hat sie Stücke von Haydn, Beethoven (Klaviersonate Nr. 28, «Pastorale») und Bach (Chromatische Fantasie und Fuge). Zudem ein Werk aus den Douze Études dans les tons mineurs von Charles Valentin Alkan (1813–1888) – eine Entdeckung! Alkans Werke tauchen sonst kaum in Konzertprogrammen auf. Zu Unrecht, findet Nosrati. Sie hat Alkans Schaffen zu einem pianistischen Schwerpunkt gemacht. 2019 hat sie eine CD mit Solostücken des Franzosen eingespielt. Alkan wurde in Paris als Kind einer jüdischen Musikerfamilie geboren und galt als Wunderkind. Er schuf Klavier-, Orgel- und Kammermusik. Gestorben ist er 1888 fast völlig vergessen. Über die Umstände seines Todes gibt es nur Gerüchte. Es heisst, er sei von einem umstürzenden Bücherregal erschlagen worden. In einem Nachruf konnte man lesen: Nur durch die Todesnachricht wisse man überhaupt, dass es ihn gegeben habe.

Brückenbauer Gologan
Und sonst? Der koreanische Pianist Tae-Hyung Kim wird ein Rezital mit Werken von Messiaen, Debussy, Chopin und César Franck gestalten, der österreichische Pianist Florian Reider einen Jazzabend. Und dann ist da noch Andrei Gologan, der 1992 in Rumänien geborenen Pianist. Er reist das erste Mal ins Musikdorf. Wie Nosrati war auch er ein Künstler im Mentoring-Programm «Building Bridges» von Sir András Schiff. Für Schiff ist das Projekt, das der Förderung junger Pianistinnen und Pianisten dient, eine Herzensangelegenheit. Es gebe immer mehr Wettbewerbe, das sei für ihn eine Hölle, erklärte der Meister unlängst in einem Interview in Wien. Musik sei ja kein Sport, man könne nicht vergleichen. Es gebe zwar gewisse objektive Kriterien, dennoch finde er solches Messen und Vergleichen furchtbar. Die nicht messbaren Elemente in der Kunst – es sind für Schiff die Wesentlichen – würden in den Wettbewerben zu kurz kommen. Deshalb will er den jungen Talenten helfen, dass sie keine Wettbewerbe machen müssen. Schiff schlägt eine alternative Idee der Förderung vor, die Ausbildung, Unterricht und Dialog umfasst. Er lädt Pianistinnen und Pianisten ein, stellt sie dem Publikum vor und gibt ihnen dadurch ein Forum. Es sind Künstler, von denen Schiff überzeugt ist. So wie von Nosrati und Gologan, die in der Klavierwoche in Ernen aufeinandertreffen werden.

Seitdem er in Salzburg Schiff das erste Mal vorgespielt habe, verbinde ihn mit seinem Mentor eine fruchtbare Zusammenarbeit, sagt Gologan. Der Erfolg seiner Auftritte als Solist und Kammermusiker zeigt, dass Gologan auf dem Weg ist, selbst ein Meister zu sein. Es gehe ihm nicht darum, möglichst schnell in der Carnegie Hall aufzutreten oder sonst in einer Hall of Fame der Klassik, sagt er. Ihm gehe es um die Musik an sich und die Menschen, mit denen er beim Musizieren in direkten Kontakt komme. Wie in der Kammermusik – oder in Ernen.

Geschrieben im Dezember 2022, von Marianne Mühlemann

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