Musik wie ein Drogentrip

Terry Rileys Musik muss man live erleben. Dann wirkt sie wie eine starke Droge. Am Freitag um 20.00 Uhr gibt es im Musikdorf Ernen die Möglichkeit eines kostenlosen (und völlig legalen) Drogentrips.

Die Zeit beginnt gänzlich anders zu fliessen, begibt man sich in das musikalische Universum von Terry Riley. Dieser Effekt stellt sich insbesondere in einer Live-Aufführung ein. Es gibt einzelne Klassiker aus der Musikgeschichte, die man einmal im Leben live gehört haben muss. Terry Rileys In C aus dem Jahr 1964 gehört definitiv dazu.

In Wolfgang Ratherts und Bernd Ostendorfs Referenzwerk «Musik der USA» vergleicht Rathert die Auswirkungen von Rileys In C auf die Musikgeschichte mit der Zäsur, die Strawinskys Sacre du Printemps ein halbes Jahrhundert zuvor auslöste und adelt das Werk zugleich als «Geniestreich».

Das ist nicht zu hoch gegriffen.

Auf nur einem einzigen Blatt hat Terry Riley das Stück notiert. 53 Patterns – also rhythmische und melodische Muster und Phrasen – schwirren während der Aufführung wild umher, überlagern sich, formen Wellenbewegungen und evozieren eine meditative Sogwirkung, wie sie sonst nur bei Gurus in indischen Ashrams vorzufinden ist.

Die Mitwirkenden sind ziemlich frei, wie oft sie die Patterns spielen wollen, wann sie zum nächsten übergehen und wann sie Pausen einlegen möchten. Doch aufeinander horchen müssen sie auf jeden Fall, um die grosse Klangwolke gekonnt durch den lichten Musikhimmel zu manövrieren.

So entsteht eine Musik mit Suchpotenzial, bei der man sich wünscht, sie möge nie mehr enden.

Die Dauer der Aufführung lässt Riley in seinem Stück In C offen. «Aufführungen können Tage, Monate oder ein Jahr dauern, ein Pattern für jede Woche und mit dem letzten kann das neue Jahr eingeläutet werden», schreibt er ironisch in die Spielanweisungen.

Jede Aufführung von In C ist einzigartig und unberechenbar.

Verpassen Sie nicht diejenige am Musikdorf Ernen.

Am Freitag, 5. August, um 20.00 Uhr in der Mehrzweckhalle Ernen.

Der Eintritt ist kostenlos (Kollekte).

Ernen, 3. August 2022, Andreas Zurbriggen (Musikpublizist und Komponist)

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