Der Vielfalt zuhören
Newcomers
12.–14. September 2025
Die nächste Generation
Die warme Holzverkleidung im grossen Konzertsaal des Konservatoriums Bern umhüllt eine Schar junger Musiker*innen. Sie haben sich hier eingefunden zur Preisverleihung der Orpheus Swiss Chamber Music Competition im November 2024. Die italienische Geigerin Sofia de Falco, die Schweizer Cellistin Axelle Richez und der im Wallis aufgewachsene Pianist Rocco Michela triumphieren als Dora Piano Trio. Während sich die einen noch fragen, was es mit «Dora» auf sich hat, freuen sich ganz besonders diejenigen, die längst wissen, welch herausragende Werke von Komponistinnen aus der Musikgeschichte vielen noch verborgen sind.
Einige davon schrieb die kroatisch-ungarische Komponistin Dora Pejačević (1885–1923), die als Namensgeberin und Identifikationsfigur das Dora Piano Trio entstehen liess. Die Triomitglieder betonen, seit Beginn ihres gemeinsamen Musizierens hätten sie sich zu Pejačevićs Musik hingezogen gefühlt und sich insbesondere in das Klaviertrio C-Dur verliebt.
Ein kurzes, intensives Leben
In Kroatien ist Pejačević eine Berühmtheit. Bei uns blieb sie Klassik-Liebhaber*innen bis vor kurzem verborgen, obwohl sie zu Lebzeiten höchst erfolgreich war. Ihre Sinfonie fis-Moll wurde im Jahr 1918 im Goldenen Saal des Musikvereins in Wien uraufgeführt. Als Person muss sie unheimlich anregend gewesen sein, stand in engem Austausch mit Rainer Maria Rilke, Karl Kraus und der Pazifistin Annette Kolb.
Pejačević stammte aus einer Adelsfamilie, ihr Vater war kurzzeitig Vizekönig Kroatiens und ihre Mutter eine ungarische Baronin, Pianistin und Sängerin. Es versteht sich daher von selbst, dass Dora Pejačević die bestmögliche Ausbildung erhielt. Die Weltliteratur in der Familienbibliothek las sie im Original, sie beherrschte Kroatisch, Englisch, Deutsch, Ungarisch, Französisch und Italienisch. In Dresden und München studierte sie Komposition und heiratete 1921, nach langem Desinteresse an einer Ehe, dann doch noch. Ein Fehler. Nach Komplikationen bei der Geburt des ersten Sohnes starb Pejačević mit nur 37 Jahren.
Engagement für Komponistinnen
Von Pejačević blieben Kammermusikwerke, Klavierstücke, Lieder und eine Sinfonie, die in den letzten Jahren langsam einem breiteren Publikum bekannt werden. Ihre Werke – gelegentlich mit der Musik Rachmaninows verglichen – atmen den Geist des Fin-de-Siècle voller Schönheit, Emotionen und Liebe. Der Triumph des Dora Piano Trio an der Orpheus Competition ist also ein doppeltes Glück, für die Musiker*innen ebenso wie für das Erner Musikpublikum: Zum ersten Mal erklingt ein Stück von Pejačević im Musikdorf.
Nicht zum ersten Mal, aber in besonderem Ausmass ist am Newcomers-Wochenende eine andere herausragende Komponistin präsent: Cheryl Frances-Hoad. Neben dem Dora Piano Trio haben sich auch das Moser String Quartet und das Duo Linnik / Vlček für eines ihrer Werke entschieden. Das zeigt, wie zugänglich für Musiker*innen und Publikum ihre farbenreiche und ausdrucksstarke Musik ist (ein ausführliches Porträt über die Britin lesen Sie hier).
Programme voller Neugier
Denis Linnik (Klavier) und Vilém Vlček (Violoncello) begeisterten sich sofort für Cheryl Frances-Hoads Stück «The Prophecy». Es ist die allererste professionelle Auftragskomposition der damals 17-jährigen Komponistin und thematisiert mit jugendlichem Ausdruckswillen die menschliche Irrationalität angesichts des Todes – und zitiert das «Dies Irae». Linnik und Vlček sind ein eingespieltes Duo, das jüngst die Gesamteinspielung der Musik für Violoncello und Klavier von Bohuslav Martinů fertigstellte. Sie ergänzen ihr Programm mit Janáček, Martinů und Grieg.
Neben dem Wendel Quartet, einem Klavierquartett, das an der Orpheus Competition überzeugte, debütiert beim Newcomers-Wochenende auch die spanische Pianistin Laura Mota Pello. Jüngst erhielt sie den Förderpreis am Concours Géza Anda. Angeregt vom Festivalthema «Rituale» präsentiert sie nach Abschiedsmusiken von Bachs und Beethoven die eindrückliche Paraphrase von Franz Liszt über das «Miserere» aus Giuseppe Verdis «Il trovatore» sowie folkloristisch inspirierte Musik aus ihrer Heimat von Isaac Albéniz und Manuel de Falla.
Newcomers | 12.–14. September 2025 | Die nächste Generation
4 Kammerkonzerte und ein Klavierrezital
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Geschrieben im Dezember 2024, von Jonathan Inniger